Ein Kreuz gibt Rätsel auf
„Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz" - Diese volkstümliche Redewendung könnte man beinahe anwenden, wenn es um die Recherche zum Kriegergedächtniskreuz am sogenannten „Kalvarienberg" an der Gemeindeverbindungsstraße von Wackersdorf nach Oder geht. Wie man in diesen Tagen im Pfarrbrief Nr. 31/2021 der katholischen Pfarrei St. Stephanus nachlesen kann, wird am 10. September 2021 im Rahmen einer kleinen Feier der Errichtung des Grubenkreuzes vor hundert Jahren gedacht.
Dies gibt Anlass die Vorgeschichte des Grubenkreuzes genauer zu beleuchten.
In der Chronik der Pfarrei Wackersdorf steht unter 1921 folgender Text: „am 18. Dez. das Gedächtniskreuz f[ür] d[ie] Gefallenen geweiht.“ Den Eintrag nahm der damalige Ortsgeistliche Adolf Amann vor, der in der Zeit von 1913 bis 1926 in Wackersdorf wirkte.
Auch im Buch von Josef Rappel „Wackersdorf - Das Werden einer modernen Industriegemeinde“ aus dem Jahre 1974 befindet sich ein Verweis: „1921/Am 18. Dezember wird das Kriegergedächtniskreuz eingeweiht.“ Den Quellen nach zu urteilen, war es also zunächst weniger als „Grubenkreuz" gedacht denn als Gedächtniskreuz für die Gefallenen des Krieges.
Bei Sichtung verschiedener Museumsunterlagen im Wackersdorfer Industrie- und Heimatmuseum treten weitere Beschreibungen zu Tage, die folgender Art sind:
Die offizielle Bezeichnung lautet: „Grubenkreuz der ehemaligen BBI/Wackersdorf.“ Der ursprüngliche Standort war an einem Verbindungsweg nach Oder. Später wurde es auf dieser Aufschüttung aufgestellt für den sich der Name Kalvarienberg eingebürgert hat."
Weitere Beiträge dazu gibt es aber auch von offizieller Seite, nämlich dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Dort steht, wie folgt, aufgeführt:
„(D-3-76-175-3) Knappensee, Grubenkreuz, gefasstes Holzkruzifix über breit gelagertem Kunststeinsockel mit Inschriftentafeln, 1922/1923; südl. von Wackersdorf auf hainartigem Gelände der Bayer[ischen] Braunkohlen Industrie (nachqualifizert)"
Ergänzend dazu sind wiederum in anderen Museumsunterlagen die nachstehenden Aufzeichnungen festgehalten.
Im Registrar unter der Rubrik „Religiöse Denkmäler" ist hier das „Grubenkreuz der ehemaligen BBI/Wackersdorf" aufgeführt. Das „Holzkruzifix über Kunststeinsockel", welches sich auf einem "hainartige[n] Hügel im Gelände der ehemaligen BBI. Fl.-Nr. 199, Gemarkung Wackersdorf" befindet, wurde im Jahre „1922/1923" errichtet und „in die Denkmalliste nach Schreiben des Bayer. Landesamtes f. Denkmalpflege vom 05.06.1984" aufgenommen. Zur Zeit dieser Niederschrift war das Holzkreuz noch im Eigentum der Bayernwerk AG München. Zum Stifter und zum Künstler werden dann noch folgende Quellenangaben beigefügt:
„Man nimmt an, da[ss] die Errichtung des Grubenkreuzes in Wackersdorf im ursächlichen Zusammenhang mit der Einweihung der St. Barbara-Kriegergedächtnis-Kapelle beim Krankenhaus in Schwandorf zu sehen ist. Im Heft Nr. 18, 34. Jahrgang, März-Heft 1924, der Zeitschrift „Das Bayernland" wird davon berichtet, da[ss] am 1. Oktober 1922 von dem damaligen Bischof von Regensburg, Dr. Antonius von Henle, diese Gedächtniskirche konsekriert wurde." Verwiesen wird dabei auch auf die Ortschronik von Wackersdorf. „Etwa 200m vom Verwaltungsgebäude der BBI steht auf einem kleinen Hügel inmitten von Bäumen das „Grubenkreuz". Der steinerne Sockel trägt in der Mitte die Inschrift ORA ET LABORA. Links im Sockel ist zu lesen: „Gekreuzigter Heiland schütze und segne unser deutsches Vaterland." Rechts steht: „Gekreuzigter Heiland schenke unseren gefallenen Helden die ewige Ruhe." Auch ein Nachtrag von Hubert Rappel ist auf dem Formular zu finden: „Nach Aussage von Gemeinderat Josef Bauer, Jungholzstraße, ehemaliger BBI´ler, beteten dort die Knappen vor Schichtbeginn in der Zeit Dr.-Ing. e.h. Oskar Kösters, Vorstandsmitglied der BBI von 1907 - 1926."
Ein ähnlicher Beitrag ist im Bayernatlas unter der Rubrik „Denkmäler“ vorzufinden.
Des Weiteren hat der ehemalige Wackersdorfer Schichtelektriker Max Feldmeier in einem Foto- und Textbeitrag in der BBI-Werkszeitschrift davon berichtet, dass „an Stelle eines früheren Feldkreuzes auf dem Weg nach Oder diese Gedenkstätte 1920“ errichtet wurde.
- Zwischenfazit: Folgt man den verschiedenen Ausführungen, so dürfte ursprünglich ein Feldkreuz Anlass für eine Gedächtnisstätte gewesen sein. Dieses muss dann in den Jahren ab 1922 (es exisitieren unterschiedliche Angaben!) durch das heutige Gedächtniskreuz ersetzt worden sein. -
In einer Zulassungsarbeit für die Erste Prüfung für das Lehramt an Volksschulen befasste sich die Schwandorferin Heidemarie Söldner (Zitzler) im Jahre 1967 eingehend mit Feldkreuzen, Marterln und Kapellen im Dekanat Schwandorf. Die angehende Lehrerin führte dabei auch Gespräche mit damaligen BBI-Mitarbeitern, so auch mit einem Herrn „Bauer“. Dieser erzählte ihr, dass dieses Kreuz früher am Stadel des Diermeier-Hofes hing. Dieser Hof stand auf dem Werksgelände der BBI. Als er von der BBI abgelöst wurde, „nahm sich der alte Diermeier aus, dass sein Kreuz dort aufgestellt werden müsse.“ Das Kreuz soll nach den Aufzeichnungen von Frau Söldner vom Bischof 1925 eingeweiht worden sein. An der Pforte des BBI-Büros sei ihr zudem versichert worden, dass das Kriegerdenkmal 1922/1923 durch Direktor Kösters errichtet worden sei.
Doch welches Kreuz hatte der damalige Bischof Dr. Antonius von Henle am 1. Oktober 1922 eingeweiht? Das Foto aus der Zeitung „Das Bayerland“ aus dem Jahre 1924 zeigt ein ganz anderes Kreuz mit steinernem Sockel, als dasjenige, das man heute an der Steinberger Straße beim Krankenhaus der Barmherzigen Brüder vorfindet. Die Sockelinschriften weisen dort lediglich auf die Kriegszeiten der beiden Weltkriege sowie mittig auf das Christusmonogramm hin.
Vergleicht man jedoch das Foto aus dem Jahre 1924 mit einem aktuellen Bild vom Kreuz auf dem Kalvarienberg ergeben sich viele Ähnlichkeiten, wie z.B. das Kreuz selbst, aber auch die Inschriften-Mitte: Ora et labora, Inschrift links: „Gekreuzigter Heiland schütze und segne unser deutsches Vaterland“ und rechts:„Gekreuzigter Heiland schenke unseren gefallenen Helden die ewige Ruhe". (Wurde nun das "Schwandorfer Kreuz" von Direktor Kösters an den Kalvarienberg versetzt und steht heute in Schwandorf eine Nachbildung des vom Bischof eingeweihten Kreuzes? Die Ähnlichkeit ist jedenfalls frappierend!)
Die jetzt vorhandene Kreuzesanlage mit dem gesamten Umfeld wurde 2007 während der Amtszeit von 1. Bürgermeister Alfred Jäger umfangreich saniert. Der damalige Pfarrer Hubert Bartel segnete die Anlage am Palmsonntag 2007 nach Abschluss der Sanierungsarbeiten. Der Gartenbau- und Ortsverschönerungsverein Wackersdorf spendete schließlich im September 2007 aus Anlass des 75-jährigen Vereinsjubiläums eine Linde, die nahe des Kreuzes gepflanzt wurde.
Dem Leser bleibt es letztendlich vorbehalten, sich aus dem ganzen Ablauf buchstäblich einen eigenen „Reim zu machen“ und die offenen Fragen (Stand das heutige Gedächtniskreuz zumindest in Teilen auf dem Weg nach Oder? Um welches Kreuz handelt es sich auf dem heutigen Kalvarienberg? Ist es das Kreuz, welches früher in dieser Aufmachung in Schwandorf stand? Gab es zwei baugleiche Kreuze?) bleiben unbeantwortet.
Dass im Jahre 1921 ein Gedächtniskreuz für die Gefallenen geweiht wurde, steht jedenfalls eindeutig fest.
Quellen:
Auszug aus der Pfarrchronik aus dem Jahr 1921.
Bayerischer Braunkohlen-Bergbau, Heft 74, Okt. 1969.
Bay. Landesamt für Denkmalpflege, Auszug aus Denkmalliste Stand: September 2021.
Das Bayerland, Zeitschrift 1924, S. 324.
Eigene Unterlagen.
Kapellen, Marterln und Kreuze im Dekanat Schwandorf, Stadtarchiv Schwandorf 08.01.-17.
Pfarrbrief Kath. Pfarrei Wackersdorf, Aug./Sept. 2021.
Wackersdorf, Das Werden einer modernen Industriegemeinde, Josef Rappel, 1974.